Mittwoch, 28. Januar 2015

Einwandern über den Weg des Temporary Workers

Workforce Canada - Kurzarbeit

Die seit Januar 2015 geltenden Regeln des kanadischen Einwanderungsprogramms werden rund 90 Prozent der Would-be Immigrants nur bewältigen können, wenn sie vor dem permanent Residence Antrag als Temporary Worker (Gastarbeiter) in Kanada gearbeitet haben. Neben den üblichen Risiken dieses Status gibt es einige Eigenarten des kanadischen Arbeitsmarkts, die man kennen sollte. In der Boom Phase der letzten Einwanderungswelle von 2002 bis Herbst 2007 passierte es immer wieder, das Deutsche ihren Einwanderungswunsch selbst sabotierten. Sie kannten und respektierten nicht eine traditionell gewachsene Eigenart des kanadischen Arbeitsmarktes.
Die Sommer- und Winterperiode sind in vielen Fällen der entscheidende Faktor, dass es für eine Firma Aufträge gibt. Sie brauchen dann schnell neue Arbeiter. Das war auch ab 2004 bei den Veranstaltungen der Kanadier zu beobachten, wie beispielsweise auf dem Messegelände in Essen. Die Kanadier kamen Ende Februar Anfang März nach Deutschland und hatten bereits die genehmigte LMO (Labor Markt Opinion) zu Hunderten dabei. Es brauchte nur noch der Name des „erwählten“ Arbeiters eingetragen zu werden und der konnte praktisch sofort in Kanada anfangen zu arbeiten. Hurra, wir sind eingewandert, konnte man damals in den Foren immer wieder lesen. Es hätte tatsächlich funktioniert, wenn …

Die Tradition hat in Kanada dazu geführt, dass Arbeitgeber sofort ihre Mitarbeiter nach Hause schicken, wenn die Winterzeit oder auch die sommerlichen Temperaturen im hohen Norden die Arbeit stoppen. Beispielsweise kann niemand mit dem Truck über einen aufgetauten See fahren, wie im tiefsten Winter möglich. Der Arbeiter wird dann nach Hause geschickt und nicht weiter bezahlt. Sobald es wieder Arbeit gibt, ruft der Boss an und sagt: Komme morgen früh zur Arbeit. Dann wird auch wieder bezahlt. Diese kanadische Tradition beschrieb bereits 1928  A. E. Johann in seinem Buch „Mit 20 Dollar in den Wilden Westen“.

Es ist also keine totale Kündigung, sondern eher als Kurzarbeit oder Freistellung auf Zeit zu bewerten – die aber nicht bezahlt wird. Das wird auch so im Handwerk, der Touristenbranche und anderen Industrien so gehandhabt. Für Kanadier ist das eine normale Sache. Die kennen das von früh an und können sich daran anpassen. Der deutsche Handwerker hat andere Vorstellungen. Er hat einen Jahresvertrag über x.xxx Stunden zu einer Bezahlung von xx Dollars. Darauf pocht er, das ist sein Recht und das will er mit dem Kopf durch die Wand verteidigen. Das Resultat ist dann aber eher die Rückkehr nach Deutschland.

Ein Beispiel aus Alberta. Die kanadische Firma hatte als Sub-Unternehmen Aufträge im Ölsandgebiet des Nordes und beschäftigte dort mehrere Teams. Ein Team bestand aus Deutschen. Als der Auftrag erledigt war, hatte der Boss für seine Teams nicht mehr soviel neue Aufträge erhalten, dass er alle weiter Vollzeit beschäftigen konnte. Er erklärte den Teams, wenn alle weniger Stunden arbeiten, dann kann er alle Arbeiter und Teams behalten. Wenn damit die Teams nicht einverstanden währen, müsse er ein Team entlassen. Die kanadischen Teams waren einverstanden weniger zu arbeiten, aber das deutsche Team nicht. Die dachten sicherlich: Wir sind die Besten, uns wird er nicht entlassen. Falsch gedacht, die Deutschen wurden direkt in den unbezahlten Urlaub geschickt. Damit war der Traum nach Kanada einzuwandern für diese Truppe zu Ende. Nicht für alle, da einige wenige diesen Urlaub akzeptieren, die anderen aber von selber kündigten. Das war der entscheidende Fehler und der Traum endete für sie. Das wurde damals in einem Forum intensiv diskutiert.

Da heute und auch morgen diese traditionelle Vorgehensweise weiter besteht, ist die Frage natürlich, wie erreichet man die Einwanderung – das PR Visa, wenn man in eine solche Situation gerät.
Antwort – nicht Paniken, nicht versuchen sein „Recht“ durchzuboxen, weiter nett zum Boss und den anderen Mitarbeitern sein. Dann wird man sofort wieder angerufen, sobald es neue Arbeit gibt. Also verdient man wieder Geld, und da man nicht gekündigt hat, ist man weiter „permanent“ unter Arbeitsvertrag.
Es ist wichtig zu verstehen, dass man für CIC einen permanenten (dauerhaften) Arbeitsvertrag bei einer Firma haben muss und im Jahr deshalb mindestens 1.500 Arbeitsstunden bezahlt bekommt. Die 1.500 Stunden sind eine kritische Grenze und man sollte das Thema mit dem Boss freundlich besprechen. Der ist ja in den meisten Fällen interessiert, dass man für ihn weiterarbeitet – sobald er neue Aufträge hat. Dann arbeitet man also nicht 30 Stunden die Woche, sondern 60 Stunden und damit bleibt man im „Grünen Bereich“. Auch deshalb, weil Überstunden bezahlt werden.

Diese Tradition berücksichtigen gab es für einige Provinzen, wie Alberta, die Ausnahme, dass man mit einem temporary work permit für zwei Arbeitgeber arbeiten durfte, also einen im Sommer und den anderen im Winter. Das ist aber von Fall zu Fall verschieden und ob das noch gültig ist muss erneut recherchiert werden.

Die Arbeitswelt und ihre Regeln kann man also nicht 1 = 1 von Deutschland nach Kanada übertragen. Lernt man die kanadischen Gewohnheiten und Regeln kennen und akzeptiert sie, dann ist die Chance über das Temporary Worker Programm einzuwandern auch heute noch vorhanden. Trotz aller sonstigen Risiken, die zu einer Rückkehr führen könnten, ist es auf jeden Fall ein Weg, um Kanadier zu werden.

Bonne chance
Maxim

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