Die seit Januar 2015 geltenden Regeln des
kanadischen Einwanderungsprogramms werden rund 90 Prozent der Would-be
Immigrants nur bewältigen können, wenn sie vor dem permanent Residence Antrag
als Temporary Worker (Gastarbeiter) in Kanada gearbeitet haben. Neben den
üblichen Risiken dieses Status gibt es einige Eigenarten des kanadischen
Arbeitsmarkts, die man kennen sollte. In der Boom Phase der letzten Einwanderungswelle
von 2002 bis Herbst 2007 passierte es immer wieder, das Deutsche ihren
Einwanderungswunsch selbst sabotierten. Sie kannten und respektierten nicht
eine traditionell gewachsene Eigenart des kanadischen Arbeitsmarktes.
Die Sommer- und Winterperiode sind in vielen
Fällen der entscheidende Faktor, dass es für eine Firma Aufträge gibt. Sie
brauchen dann schnell neue Arbeiter. Das war auch ab 2004 bei den Veranstaltungen
der Kanadier zu beobachten, wie beispielsweise auf dem Messegelände in Essen.
Die Kanadier kamen Ende Februar Anfang März nach Deutschland und hatten bereits
die genehmigte LMO (Labor Markt Opinion) zu Hunderten dabei. Es brauchte nur
noch der Name des „erwählten“ Arbeiters eingetragen zu werden und der konnte
praktisch sofort in Kanada anfangen zu arbeiten. Hurra, wir sind eingewandert,
konnte man damals in den Foren immer wieder lesen. Es hätte tatsächlich
funktioniert, wenn …
Die Tradition hat in Kanada dazu geführt, dass
Arbeitgeber sofort ihre Mitarbeiter nach Hause schicken, wenn die Winterzeit
oder auch die sommerlichen Temperaturen im hohen Norden die Arbeit stoppen.
Beispielsweise kann niemand mit dem Truck über einen aufgetauten See fahren,
wie im tiefsten Winter möglich. Der Arbeiter wird dann nach Hause geschickt und
nicht weiter bezahlt. Sobald es wieder Arbeit gibt, ruft der Boss an und sagt:
Komme morgen früh zur Arbeit. Dann wird auch wieder bezahlt. Diese kanadische Tradition
beschrieb bereits 1928 A. E. Johann in
seinem Buch „Mit 20 Dollar in den Wilden Westen“.
Es ist also keine totale Kündigung, sondern eher
als Kurzarbeit oder Freistellung auf Zeit zu bewerten – die aber nicht bezahlt
wird. Das wird auch so im Handwerk, der Touristenbranche und anderen Industrien
so gehandhabt. Für Kanadier ist das eine normale Sache. Die kennen das von früh
an und können sich daran anpassen. Der deutsche Handwerker hat andere
Vorstellungen. Er hat einen Jahresvertrag über x.xxx Stunden zu einer Bezahlung
von xx Dollars. Darauf pocht er, das ist sein Recht und das will er mit dem
Kopf durch die Wand verteidigen. Das Resultat ist dann aber eher die Rückkehr
nach Deutschland.
Ein Beispiel aus Alberta. Die kanadische Firma
hatte als Sub-Unternehmen Aufträge im Ölsandgebiet des Nordes und beschäftigte
dort mehrere Teams. Ein Team bestand aus Deutschen. Als der Auftrag erledigt
war, hatte der Boss für seine Teams nicht mehr soviel neue Aufträge erhalten,
dass er alle weiter Vollzeit beschäftigen konnte. Er erklärte den Teams, wenn alle
weniger Stunden arbeiten, dann kann er alle Arbeiter und Teams behalten. Wenn
damit die Teams nicht einverstanden währen, müsse er ein Team entlassen. Die
kanadischen Teams waren einverstanden weniger zu arbeiten, aber das deutsche
Team nicht. Die dachten sicherlich: Wir sind die Besten, uns wird er nicht
entlassen. Falsch gedacht, die Deutschen wurden direkt in den unbezahlten
Urlaub geschickt. Damit war der Traum nach Kanada einzuwandern für diese Truppe
zu Ende. Nicht für alle, da einige wenige diesen Urlaub akzeptieren, die
anderen aber von selber kündigten. Das war der entscheidende Fehler und der Traum
endete für sie. Das wurde damals in einem Forum intensiv diskutiert.
Da heute und auch morgen diese traditionelle
Vorgehensweise weiter besteht, ist die Frage natürlich, wie erreichet man die
Einwanderung – das PR Visa, wenn man in eine solche Situation gerät.
Antwort – nicht Paniken, nicht versuchen sein „Recht“
durchzuboxen, weiter nett zum Boss und den anderen Mitarbeitern sein. Dann wird
man sofort wieder angerufen, sobald es neue Arbeit gibt. Also verdient man
wieder Geld, und da man nicht gekündigt hat, ist man weiter „permanent“ unter
Arbeitsvertrag.
Es ist wichtig zu verstehen, dass man für CIC
einen permanenten (dauerhaften) Arbeitsvertrag bei einer Firma haben muss und
im Jahr deshalb mindestens 1.500 Arbeitsstunden bezahlt bekommt. Die 1.500
Stunden sind eine kritische Grenze und man sollte das Thema mit dem Boss
freundlich besprechen. Der ist ja in den meisten Fällen interessiert, dass man
für ihn weiterarbeitet – sobald er neue Aufträge hat. Dann arbeitet man also
nicht 30 Stunden die Woche, sondern 60 Stunden und damit bleibt man im „Grünen
Bereich“. Auch deshalb, weil Überstunden bezahlt werden.
Diese Tradition berücksichtigen gab es für einige
Provinzen, wie Alberta, die Ausnahme, dass man mit einem temporary work permit
für zwei Arbeitgeber arbeiten durfte, also einen im Sommer und den anderen im
Winter. Das ist aber von Fall zu Fall verschieden und ob das noch gültig ist muss
erneut recherchiert werden.
Die Arbeitswelt und ihre Regeln kann man also nicht
1 = 1 von Deutschland nach Kanada übertragen. Lernt man die
kanadischen Gewohnheiten und Regeln kennen und akzeptiert sie, dann ist die
Chance über das Temporary Worker Programm einzuwandern auch heute noch
vorhanden. Trotz aller sonstigen Risiken, die zu einer Rückkehr führen könnten,
ist es auf jeden Fall ein Weg, um Kanadier zu werden.
Bonne chance
Maxim
Bonne chance
Maxim
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