„Charte des
valeurs québécoises / Charter of values“
Hallo,
wer derzeit als Deutscher in Kanada ist, wird früher oder
später mit der hitzigen Diskussion zwischen Quebec und den Rest of Canada (RoC*)
über die „Charte des valeurs québécoises / Charter of values“ konfrontiert. (*
Das ist eine übliche Bezeichnung in kanadischen Medien. English-Canada is
often referred to as the "ROC" -Rest of Canada-)
Meine Empfehlung ist, sich nach Möglichkeit aus der
Diskussion herauszuhalten. Da inzwischen aber die seltsamsten Argumente genutzt
werden, um sich mal wieder über die Quebecer aufzuregen, hier einige Argumente,
wie das bei uns in Deutschland, der Türkei, der Schweiz, Frankreich ist und und
was der Europäische Gerichtshof dazu meint.
Kurzer Rückblick in die Deutsche Geschichte. Von Friedrich
II., auch Friedrich der Große oder der Alte Fritz genannt
ist der Satz überliefert: „Jeder soll nach seiner Fasson selig werden“. Wenn es
aber um die Zahlung der Steuer geht, kennen wir einen älteren Spruch: "Gebt
dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!" (Mt
22,15-21)
Beim Alten Fritz bezog sich der Satz auf die
Religionsfreiheit. Bei Jesus auf die Trennung von Staat und Religion.
Beide Prinzipien sind genau das, was mit der „Charte des
valeurs québécoises / Charter of values“ nun in der Verfassung von Québec
festgeschrieben werden soll
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Nicht erlaubt, wenn Staatsdiener Bürger bedienen, aber privat erlaubt. |
Es geht um eine klare Trennung des Staates und seiner „Diener“
gegenüber dem religiösen Glauben der Bürger des Staates. Der
Staatsdiener soll heute nicht mehr als Vertreter einer Religion dem Bürger gegenübertreten,
sondern als neutraler Diener erkennbar sein.
In Europa gibt es dazu zwei Begriffe, mit denen man bei
Wikipedia historische und aktuelle Informationen recherchieren kann. Von
Frankreich kommt der Begriff „laïcité“ und in Deutschland wird das gleiche
Prinzip als „Säkularisierung“ bezeichnet.
"French idea of laïcité, an untranslatable concept, „,
schrieb ein anglo-kanadischer Journalist. Dabei können bereits Schulkinder das
Konzept verstehen. Aber da es Französisch geschrieben wird – ist es natürlich
nicht übersetzbar für diesen Antiquebecer. Witziges Argument. Erklärt wird das
Wort bei Wikipedia natürlich auch in Englisch und Deutsch.
Laizismus
Der Begriff „Laizismus“ (laïcité) ist eine 1871 geprägte
Wortschöpfung des französischen Pädagogen und Friedensnobelpreisträgers Ferdinand
Buisson, der sich für einen religionsfreien Schulunterricht einsetzte. Sie geht
auf den griechischen Begriff λαϊκισμός zurück für „Laie“ im
Sinn von „Nicht-Geistlicher“.
Säkularismus
Unter Säkularismus versteht man eine aus
der Säkularisierung (mentaler Prozess der Trennung von Religion
und Staat) und der Säkularisation (konkreter Prozess der Ablösung der
weltlichen Macht religiöser Institutionen)
erwachsene Weltanschauung, die sich auf die Immanenz und
Verweltlichung der Gesellschaft beschränkt und auf darüber
hinausgehende Fragen verzichtet.
Verschiedene Zitate.
Diese kann man nutzen, um mit den Suchmaschinen, den gesamten Text zu finden.
Europa
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beanstandete
derweil weder ein Verbot des Kopftuchs für Lehrerinnen im Kanton Genf noch das
(weitergehende) Kopftuchverbot für Studentinnen an staatlichen Universitäten in
der Türkei.
DAHLAB v. SWITZERLAND http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-22643
Türkei
Parlamentarierinnen und Lehrerinnen bzw.
Hochschullehrerinnen sowie Angestellten im öffentlichen Dienst ist das Tragen
des Kopftuchs verboten. Das gilt auch für Studentinnen an den Universitäten in
der Türkei.
Lifting of
ban annulled
On 5 June
2008, Turkey's Constitutional Court annulled the parliament's
proposed amendment intended to lift the headscarf ban, ruling that removing the
ban was against the founding principles of the constitution. The highest
court's decision to uphold the headscarf ban cannot be appealed (AP 7 June
2008). http://en.wikipedia.org/wiki/Headscarf_controversy_in_Turkey
Deutschland
Auch die Arbeitsgerichte hatten sich der Kopftuchfrage
zwischenzeitlich zu stellen. Die Kündigung einer Verkäuferin aufgrund ihres
Kopftuchs wurde vom Bundesarbeitsgericht aufgehoben, das
Bundesverfassungsgericht billigte diese Entscheidung.
Kanada
Was denken die Kanadier darüber: According to the Forum
Research group, the idea of "legislation outlawing religious clothing
and symbols such as hijabs, turbans and skullcaps from being worn by public
employees" earns the support of 40 per cent of Ontarians, 39 per cent of
Albertans, and 35 per cent of British Columbians, as well as 49 per cent of
Tory voters and 39 per cent of Greens and NDPers.
Zitate aus den Kommentaren zu verschiedenen Artikeln in den kanadischen Medien.
Anglocanadian
1
"Religion
is supposed to be separate from politics, Quebec is doing the right thing and I
wish there were more provinces in Canada that had the same backbone.
Anglo-Canadian
2
"As an
anglo on the prairies I fully support this move. It's about time that we as a
country expect immigrants and religious minorities to adopt a fully Canadian
way of life."
Donna Sep.
15, 2013 10:56 PM - Abuse
In my boys ‘former school, it was a "Winter Concert" and everyone said "Happy Holidays". The school administration went as far as changing the lyrics in the Christmas songs that my family has sung for generations so that "no one" would be offended - What crap...so sick of it! They now go to a school where our traditions are celebrated, as they should. The last time I checked, most companies/businesses are closed on Dec. 25th and "no one" complains that they have the day off...can’t have it both ways people!!!!!! Oh and by the way, a hijab isn't "religious"....at least that's what a Lebanese mother told me!!!!
In my boys ‘former school, it was a "Winter Concert" and everyone said "Happy Holidays". The school administration went as far as changing the lyrics in the Christmas songs that my family has sung for generations so that "no one" would be offended - What crap...so sick of it! They now go to a school where our traditions are celebrated, as they should. The last time I checked, most companies/businesses are closed on Dec. 25th and "no one" complains that they have the day off...can’t have it both ways people!!!!!! Oh and by the way, a hijab isn't "religious"....at least that's what a Lebanese mother told me!!!!
Richardnorth:
As a gay
man, I welcome this charter. I'm tired of being criticized, sneered at and
judged by religionists. Some of the worst homophobia I've experienced was by
the "you-know-who group" (the group that is so peaceful and
tolerant). The last thing I need is to have to deal with them when I want to
interface with the government. The bottom line is that a secular environment is
a BETTER environment and a more humane environment for all. There used to be a
time, not too long ago when the progressive movement was all about the removal
of religious influence from public life. Now, somewhat ironically, it seems to
have reversed. Wake up people.«
Fazit
Die derzeitige Regierung von Québec will das als Gesetz verabschieden,
was wir in Europa nun seit über einem Jahrhundert als Gesetz kennen. Diese Form
des geplanten Gesetzes kennen wir also auch in Deutschland. Wo ist also das
Problem, das der RoC mit den Quebecern hat? Darüber ein anderes mal ein paar Zeilen.
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Erlaubte religiöse Zeichen |
PS übrigens ist Quebec eine „Nation within Canada“ und nicht mehr
eine Provinz in Kanadas. Wer das sagt, dafür sorgte, dass es vom Parlament so
verabschiedet wurde, ist der seit Jahren amtierende Premier Minister Stephen
Harper. Just as Information.
Bonne chance
Maxim Pouska